Michael Wax ist Gründer und CCO von Forto - ehemals FreightHub GmbH. Er hat bereits mehrere erfolgreiche Unternehmen im B2B-Software Bereich gegründet, insgesamt über 100 Millionen Dollar eingesammelt und über 300 Mitarbeiter eingestellt. Er ist Mitbegründer und CCO von Forto, Europas erstem digitalen Speditionsunternehmen, das ein digitales Rückgrat für den Multi-Billionen-Welthandelsmarkt aufbaut. Vor der Gründung von Forto gründete Herr Wax KONUX, ein KI-Unternehmen, das sich auf die Überwachung der Infrastruktur konzentriert und von Investoren wie Andy Bechtholsheim, NEA oder Alibaba finanziert wird. Zuvor arbeitete er in der Unternehmensberatung bei Bain & Company und hat einen Master-Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen von der TU München und absolvierte Studienaufenthalte an der UC Berkeley und HKUST.
Danke für die Einladung, Michi. Du triffst mich an einem ganz besonderen Zeitpunkt für unsere Firma, da wir gerade vor einer Woche unser vierjähriges Jubiläum gefeiert haben - im gleichen Zug haben wir damit unseren Namen, wie du schon erwähnst, von FreightHub zu Forto geändert. Die Namensänderung soll unsere Entwicklung zum Technologieanbieter für die gesamte globale Lieferkette wiederspiegeln.
Ich habe damals vor vier Jahren die FreightHub GmbH mitgegründet und bin seitdem für den Aufbau des kommerziellen Bereichs verantwortlich. Aktuell leite ich von Business Development über Marketing bis Sales ca. 120 Leute, die uns dabei helfen, die Abdeckung des Produkts auszubauen und dieses international an Kunden zu vertreiben.
Forto ist eine Logistik Plattform, die es unseren Kunden - B2B-Unternehmen - ermöglicht, sehr einfach, in wenigen Schritten, Preise für Gütertransport über See-, Luft- und Bahnfracht anzufragen, zu buchen und von Anfang bis Ende zu managen. Somit organisieren wir heute für ca. 2500 Unternehmen im D-A-CH Markt die See-, Luft- und Bahnlogistik und werden in diesem Jahr eine fünfstellige Anzahl von Containern nach Deutschland einführen.
Im Groben lässt sich diese aufschlüsseln in den Growth Bereich und in den Sales Bereich. Growth ist für den Aufbau von Pipelines verantwortlich. Sales ist für Closing, aber auch für das Account Management verantwortlich.
Innerhalb von Growth sind wir aufgeschlüsselt in Inbound und Outbound Aktivitäten, also in ein Marketing Team und in ein Sales Development Representatives (SDR) Team.
Im Growth Team sind wir aktuell ca. 20 Leute, die sich damit beschäftigen, Markenkampagnen zu starten, Whitepapers zu schreiben und Events und Messen vorzubereiten, um das Interesse an Forto immer weiter zu generieren. In dem SDR Team befinden sich aktuell neun Leute, die sich gezielt damit beschäftigen, Zielkunden anzusprechen, und auch in den ersten Schritten von unserem Produkt zu überzeugen.
Im Sales Team sind jetzt aktuell ca. 40 Mitarbeiter tätig, die aufgeschlüsselt sind in drei unterschiedliche Kundensegmente: Closing, Account Management und Integration Management.
Außerdem gibt es ein Sales Operations Team, das unser Sales Team dabei unterstützt, alle Salesmaterialien und -systeme auf dem neuesten Stand zu halten, kontinuierlich weiterzuentwickeln und auszubauen.
Zusätzlich gibt es in China ein ähnliches Setting. Wir haben aktuell ca. 40 Mitarbeiter in Hongkong, Shenzhen, Ningbo und Shanghai, wo wir primär die Zulieferer unsere Kunden vor Ort betreuen.
Guter Vertrieb ist für mich immer ein Mix aus Science und Art. Es geht als um einen Mix aus einem prozessgetriebenen Ansatz, und ein Gefühl für das Zwischenmenschliche bzw. das Kreative im Rahmen der Möglichkeiten. So versuchen wir auch unser Team zusammenzustellen. Zum einen versuchen wir, einen sehr wiederholbaren, repetitiven Prozess zu erarbeiten, der aber zum anderen auch immer wieder kreativ ausgearbeitet wird, und der sich somit sehr nah am Kunden bewegt. Dieser Prozess wird von Personen gestemmt, die ein Gespür dafür haben, mit Menschen umzugehen.
Da würde ich zwei herausgreifen. Die erste Challenge war der Vertrieb von Kleinkunden hin zum Mittelstand. Wir haben zu Beginn sehr viel an Kleinunternehmer verkauft, die 20-30 Container im Jahr importieren, und sind dann gewachsen und haben Unternehmen wie Miele, Viessmann oder Hans Grohe, die ein paar tausend Container im Jahr importieren, in unser Portfolio integrieren können. Hier findet die Kundenansprache und Auswahl entscheidender Verkaufsargumente gleichzeitig auf mehreren Ebenen statt: nämlich von der Geschäftsführung bis zum Sachbearbeiter. Man muss als Unternehmen noch professioneller, seriöser und zuverlässiger auftreten. Im Moment haben wir es darüber gelöst, im Unternehmen eine cross-funktionale Taskforce aus allen Departments aufzusetzen. In Sprints haben wir dann diese Maßnahmen, die wir aus allen Departments erarbeitet haben, durchexerziert. Das resultierte in einer sehr engen Zusammenarbeit aller Departments, um eine Neuauflage von unserem Pitch Deck, unserem Customer Success Management, Meetings vor Ort, Closing Prozessen in Salesforce, sowie eine Neuauflage von Erstansprache vom Kunden durch die SDRs, auszuarbeiten. Das hat uns dazu verholfen von 2018 auf 2019 unsere Sales mehr als zu verdreifachen! Wir haben jetzt Kunden wie Obi oder Franke, die mehrere tausend, teilweise zehntausende Container im Jahr, importieren und sich hier nun auf unsere Dienstleistung verlassen.
Die zweite große Challenge lag innerhalb dieses Umdenkens, nämlich der Schritt vom Single- zu Multi-Stakeholder - also von einem Entscheidungsträger zu mehreren - die somit natürlich auch explizit durch den Content aufgegriffen werden mussten. Hier sind wir mit einem ähnlichen Ansatz rangegangen: Aus den unterschiedlichsten Departments haben wir Wissen gezogen, Maßnahmen aufgesammelt und diese hinsichtlich deren Impact gemessen - also deren Einfluss, den sie auf den Prozess haben können - und hinsichtlich der Komplexität der Implementierung bewertet. Bausteine, die am einfachsten zu implementieren sind und den größten Effekt hinterlassen, greifen wir als erstes auf und versuchen hier dann sehr regelmäßig nachzuhalten.
Gleichzeitig haben wir im Rahmen der zweiten Challenge, die wir hatten - also den Sprung von Single- zu Multi-Stakeholder - ein neues Produkt eingeführt: FortoX, unsere Order Management Plattform.
Mit diesem Produkt kann unser Kunde von der Order an den Supplier bis zur finalen Lieferung den Herstellungs- und Lieferprozess transparent nachvollziehen. Dieses Produkt war für diese Unternehmen interessanter. Hier war es extrem wichtig, nochmals mehrere Schulungen zum eigenen Produkt durchzuführen. Das half im Endeffekt extrem, um das Wachstum des Produktes zu beschleunigen. Es ging darum, nicht nur die Qualitätsmaßnahmen zu trainieren, sondern ganz explizit vom holistischen Produkt die Vorteile zu verdeutlichen. Wir haben die Engineers und Product Manager vor dem Sales Team gegenüber pitchen lassen, was großen Erfolg verzeichnete.
Ich glaube, wenn du heute mit hundert unterschiedlichen VP Sales in Europa von einem Softwareunternehmen sprichst, dann würden die sagen: “80-90% unseres Erfolgsrezeptes sind saubere Sales Prozesse”.
Beim Sales Prozess hast du folgende Vorteile: Du hast eine bessere Wiederholbarkeit.
Auch wenn ein Sales Manager mal einen schlechten Tag hat, kannst du zumindest den Einzelnen ausgleichen. Du hast die Möglichkeit, konstanter einzustellen. Du brauchst nicht mehr nur Leute, die extrem talentiert sind - denn oftmals ist es extrem schwierig, immer nur die besten Closer zu finden, die genau in der einen Industrie schon seit 10 Jahren dieses eine Produkt verkaufen - du kannst sie auch schneller in einer neuen Domäne anlernen. Das führt dazu, dass die Planbarkeit wesentlich besser wird und du zu Beginn weißt, “wenn ich drei neue Sales Mitarbeiter einstelle, dann kann ich so und so viel mehr Umsatz erwarten”. Das ist für ein skalierendes Unternehmen das A und O.
Daten spielen im täglichen Vertrieb eine riesige Rolle. Wir arbeiten mit einem Mix aus unterschiedlichen Monitoring Tools. Wir arbeiten sehr stark mit Salesforce. Dort sind die Möglichkeiten natürlich irgendwann ausgereizt. Wir haben ein internes BI Team, die explizit noch mehr Daten aus unserem eigenen System und aus Salesforce mergen, und dann ein Tableau aufwerfen. Obendrein habe ich noch ein Gecko Board für die wichtigsten Daten, wo ich mehrere Male am Tag drauf schaue. Es ist super wichtig, als Commercial Lead on top of the numbers zu sein und genau zu wissen, wo wir aktuell hinterher hängen, wo es Deviations gegenüber dem Plan gibt, wo man sich einschalten und wo man nachhelfen muss, um sicher zu stellen, dass wieder der gewünschte Kurs eingenommen wird.
Das kannst du mit einer größeren Komplexität nur, wenn du ein sauberes Tracking und Monitoring implementiert hast.
Gleichzeitig ist es wichtig, diese Zahlen im Team zu besprechen. Wir haben ein Commercial Management Meeting, wo alle VP Sales, VP Growth und VP Asia, aber auch die Produktleiter für See-, Luft- und Bahnfracht zusammenkommen. In diesen Meetings diskutieren wir, wo und weshalb es Abweichungen gibt, wo und weshalb die größten Issues bestehen. Wir besprechen aber auch die Highlights der jeweiligen Leute, um Erfolge gemeinsam zu feiern und so sicher zu stellen, dass wir uns dem Plan entlang entwickeln.
Zum jetzigen Zeitpunkt sieht man schon noch einen relativ großen Anteil an Relationship Sales. Kunden kaufen ihr Produkt, weil sie den Verkäufer schon sehr lange kennen und zu ihm eine Beziehung aufgebaut haben. Das sieht man gerade in traditionellen Industrien sehr häufig. Ich glaube, dass sich der Vertrieb davon weg entwickeln wird, weil Entscheidungen datengetriebener getroffen werden, Compliance ein immer größer werdendes Thema ist, und natürlich weil Vitamin-B-frei eingekauft werden soll. Wenn gleich diese personal Bias nicht komplett ausgeschaltet werden können. Auch die Methodik hin vom Relationship Sales, die bis ins Mittelalter zurückgeht, nun auf Spin-Sales, Challenger-Sales usw. konvergiert. Man versucht Sales auf diese Art wiederholbarer zu machen und vor allem auch “more predictable”. In diesem Kontext sind Prozesse und Standardisierungen das A und O. Jetzt haben wir natürlich extrem viel über Monitoring, transaktionale Führung und Prozesse gesprochen. Was bei all dem auf keinen Fall vergessen werden darf, und oftmals einen viel größeren Impact hat, ist ein starkes Leadership Team, das weiß, wie ihr Team zu motivieren und weiterzuentwickeln ist.
Gerade in der aktuellen Zeit mit der jetzigen Generation ist es wichtig, den Leuten zügig Career Paths aufzuzeigen und ihnen darzulegen, wie sie sich dort entlang entwickeln können. Somit können auch ihre eigenen Ziele in der Firma erreicht werden. Nur wenn du einen guten Mix aus top motivierten Mitarbeitern hast, die das Gefühl haben, dass sie ihr maximales Potential ausschöpfen können, Hand in Hand mit einem wiederholbaren Prozess und einem sehr guten Produkt, kannst du heutzutage eine extrem erfolgreiche Vertriebsorganisation aufbauen.
Unternehmenskultur, Werte und Operating Principles sind im Endeffekt der kleinste gemeinsame Nenner, an dem sich jeder Mitarbeiter orientieren kann. Ich glaube, es gibt so viele Beispiele von großen Unternehmen, die zeigen, wie Kultur den Erfolg eines Unternehmens maßgeblich mit definiert, vor allem dann, wenn es schnell wächst. Von Uber, die Aggressivität tief in der DNA verankert hatten, bis zu Facebook, die extrem über schnelle Iterationen gewachsen sind und jedem einzelnen Mitarbeiter mitgegeben haben “Move fast, break things”. Und irgendwann ist das “break things” weggefallen.
Aber es zeigt: Was ist der gemeinsame Nenner, was ist die DNA, an welchen Entscheidungsprinzipien wollen wir uns eigentlich orientieren? Eines der wichtigsten Values bei Forto ist “we are one”, d.h. Kollaboration, Zusammenarbeit in jeglichen Aspekten. In einem Logistikprozess, wo du mit mehreren Nationen aus Indien, China oder Südamerika einen Container importierst oder ein Luftfahrzeug navigieren und koordinieren musst, ist Kollaboration extrem wichtig. Daher sind alle unsere Probleme, all unsere Challenges, aber auch jeglicher Erfolg, immer davon abhängig, wie gut wir crossfunktional zusammenarbeiten. Es ist uns extrem wichtig, dass das in unserer DNA verankert ist. Dementsprechend wären wir ohne unseren starken Fokus auf diesem Thema weniger erfolgreich.
Das ist eine weitgreifende Frage, die sehr schwer in einem Satz zu beantworten ist. Ich glaube, das ist extrem abhängig davon, wie sich die Wertschöpfung in dem Unternehmen definiert, und wie das Produkt sich erschließt. Es gibt Unternehmen, die haben einfachere Produkte, die in einem Department generiert werden und dementsprechend ein gutes Top-Down-Steering ermöglichen.
Wenn du heute komplexere Produkte, die von unterschiedlichen Departments zusammengestellt werden, verkaufen willst, ist es sehr wichtig, die richtige Organisationsform zu wählen. Ich denke, dass es hier in keinem Fall möglich ist, pauschal eine Aussage zu treffen. Es ist einfach nur wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass vor allem in einem schnell wachsenden Unternehmen Process, Design und Organisational Design etwas sind, was man kontinuierlich weiterentwickeln muss. Es wird hier wahrscheinlich nie das beste oder ein finales Setting geben, sondern es bleibt immer ein Work in Progress.
Always be hustling. Nie aufhören. Mit den einfachsten Dingen den Mitarbeitern zeigen, dass man auch ständig draußen unterwegs ist.
Es ist immer wieder ein gutes Zeichen, wenn ich zum Beispiel am Wochenende auf einer Hochzeit war und am Montag sage: “Ich saß am Wochenende Samstagabend zwei Stunden mit jemandem beim Dinner zusammen, der verschickt mit uns heute Abend die ersten 10 Container”.
Den Leuten zu zeigen, dass man für die Firma brennt und auch alles dafür tun würde - das ist nach wie vor ein extrem wichtiger Aspekt. Das ist etwas, dass wir stark mit einem guten Leadership by Example zu leben. Ich glaube, dass ist auch bei einem Unternehmen mit 1.000-5.000 Mitarbeitern immer noch wichtig: zu zeigen, dass man weiterhin draußen beim Kunden ist und auch dort immer mal wieder jemanden closen kann.
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